Offene Beziehung in der Ehe / Partnerschaft

Verheiratet, seit Monaten getrennt, jedes in seiner eigenen Wohnung, in vielen Dingen auseinander gelebt und trotzdem auf die eheliche Treue des Partners beharrend. Das ist eine ziemlich traditionelle, elterliche Einstellung, nicht aber eine erwachsene. Das erotische Treusein geht von anderen Kriterien aus, und meint die durch die sexuelle Vereinigung geförderte Verschmelzung zu einer spirituellen Gemeinsamkeit mit den damit verbundenen glückhaften Seinserfahrungen. Dazu braucht es eine Partnerschaft, die auf Vertrauen und Offenheit beruht. Sex alleine kann wahllos mit jeder Person betrieben werden und geht von der primären Triebbefriedigung aus, die beim Manne, infolge seiner Veranlagung, bis zum Lebensende dauern kann. Bei einer Frau entfällt die Triebhaftigkeit spätestens mit den Wechseljahren, was aber nicht heissen soll, dass sie dadurch von intimen Sexspielen ausgeschlossen ist und keine Lust mehr empfinden kann.

Als Erzieher und Therapeut habe ich stets versucht Ehen zusammen zu halten und mich selten für eine Scheidung ausgesprochen. Zuerst galt es zwei Fragen zu klären: Was gibt es für Interessen, welche die beiden Partner zusammenhalten? Wo funktioniert die Ehe gar nicht mehr? Nach einer solchen Bilanz konnte das weitere Vorgehen geregelt werden. In vielen Fällen haperte es mit dem Intimleben, mit der Zärtlichkeit, mit der Sexualität. Ein Lechzen nach Liebe, nach einem anerkennenden, humanen Wort. „Du fehlst mir!“

Es waren die Humanisten, die in den sechziger Jahren begannen einander human zu begegnen, einander die Füsse zu massieren, einander in die Augen zu schauen, sich freundschaftlich zu umarmen. Die Kirchen antworteten darauf lange Zeit mit einem sündhaften Geschrei – die Sexualisierung der Berührung war die grösste Hemmschwelle, um miteinander zu wachsen und zu gedeihen. Die Zeiten haben sich geändert und vieles von der anfänglich verschrieen Humanistischen Psychologie wurde von Wirtschaft, Erziehung und Kirche integriert. Vieles ist Allgemeingut geworden. Das zu sehen ist eine Genugtuung für die freien und verrufenen Erzieher von damals.

Die Frau ist unzufrieden, der Mann ist unzufrieden. Ein Trend zur Offenheit machte sich breit. In solchen Fällen empfahl ich den betroffenen Paaren, bevor sie die Scheidung beantragten, ihre Beziehung zu öffnen, d.h. miteinander weiter zu leben und jene Bedürfnisse, die innerhalb der Beziehung nicht gestillt werden konnten, anderswo zu befrieden. Meistens handelte es sich um Sex und Berührung, oft auch um das anständige miteinander Reden.

Ein dementsprechender Vertrag gab diesem, meist befristetem Zustand, einen gewissen Halt. Wichtig war immer, dass beide Partner die gleichen Rechte bekamen und festgehalten wurde, dass dadurch die noch bestehende Intimsphäre nicht beschädigt werden soll. Ob ein Partner von den ausgehandelten Rechten Gebrauch machte war freigestellt.

Meistens klappte ein solcher Vertrag und viele fanden zurück zu einer neuen, aufrichtigen Beziehung. Die dadurch ermöglichte Aufarbeitung von Defiziten brachte neue Möglichkeiten. Dabei wurde auch das sachliche, liebevolle Miteinanderreden gelernt. „Schön, dass es dich gibt!“

Sobald sich ein Partner mit dem anderen seelisch verbindet gibt es kein Untreue mehr!

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