Plötzlich war ich nur noch Liebe
Eine Erzählung um das Sein in der erotischen Liebe
Nach einer mehrwöchigen Wanderung durch den nordöstlichen Himalaja und weiter Richtung Süden, nahe der Grenze zu Burma, erreichte ich das Ziel. Ich stand vor dem Tor der tantrischen Gemeinschaft, deren Adresse mir mein Meister empfohlen hatte. Seine letzten Worte, die er mir mitgab, klangen noch lange in mir nach. Er meinte, ich sei für den asketischen Weg der Erkenntnis ungeeignet. Er selber glaubte von sich, dass er den falschen Weg gegangen und deshalb nie ans Ziel gekommen sei – ausser Quälereien keine wirklichen Einsichten, die seine Gespaltenheit geheilt und ihn von der Begierde befreit hätte und von Gottes Nähe keine Spur. Er sei in der täglichen devoten Dienerei stecken geblieben und zum mechanisch tätigen Leichnam geworden. „Geh, bevor es zu spät ist!“ rief er mir zu. Ich ging. Schon am nächsten Tag war ich wieder unterwegs.
Ich selber wollte weder Mönch noch Klosterbruder werden. Ganz und gar nicht. Ich fühlte mich in meiner Entwicklung in einer Sackgasse, mir selber fremd und gespalten. Ich sehnte mich nach Einheit und suchte nach meinem Selbst. Ich glaubte bei irgend einem Weisen in Indien oder Nepal fündig zu werden. Also machte ich mich auf. Ich war damals bereits seit bald zwei Jahren unterwegs. Bis anhin vergebens. Aber unter keinen Umständen wollte ich aufgeben.
Ich war ein blinder Sucher. Dass ich wach und zum Finder wurde, verdanke ich einem etwas verrückten, alten Weisen und seiner kleinen Gemeinschaft.
Am empfohlenen Ort angekommen stand ich, von der langen Wanderschaft müde und ausgebrannt, vor einem geschlossenen Tor. Das Anwesen der Gemeinschaft war von einem Maschendrahtzaun und einem Lebhag umgeben, dichtes Gehölz, das keinen Durchblick gewährte. Urwaldhaft. Ich ging ein Stück der Umzäunung entlang – es schien ein sehr ausgedehntes Grundstück zu sein. Nach hundert Schritten kehrte ich zum Tor zurück und zog die Glocke – ein greller, aufreizender Klang, der mich nervte. Ich wartete. Stille. Ich zog die Glocke nochmals und wartete weiter. Ich fühlte mich beobachtet, konnte jedoch niemanden wahrnehmen. In dieser Einsamkeit, bei schiergar unerträglicher Hitze, von der Welt abgeschieden, vor einem Tor warten zu müssen, da rebellierte mein Temperament. Ich spürte meine Ungeduld und einen Anflug von Ärger. Mit einigen lauten Rufen schaffte ich mir Luft. Da hatte ich eine Empfehlung mit dieser Adresse und wurde in der Sonne stehen gelassen. Mich quälte Durst und Hunger. Ich entschloss mich, vor dem Tor mein Lager aufzuschlagen und begann meinen Rucksack auszupacken. Da hörte ich ein leises, vergnügtes, mädchenhaftes Kichern, das ganz aus der Nähe kam. Entdecken konnte ich niemanden. Aber ohne Zweifel kam es aus den Ästen eines wuchtigen Baumes, der zum Ashram gehörte, von dem aus bestimmt ein guter Ausblick auf meinen Standort möglich war.
Wenig später öffnete sich das Tor. Vor mir stand eine fröhliche, kindlich anmutende Frau. Sie war nur mit einem hellblauen, durchsichtigen, Seidenumhang bekleidet. Ihre weiblichen, runden Formen kamen durch und durch zur Geltung. Ihre schamlos wirkende Freundlichkeit reizte mich und ich wollte meinem angestauten Ärger Ausdruck geben. Ein Weibchen! Da stellte sie sich mit offenen Armen vor mich hin und lachte, als ob sie einen alten Bekannten vor sich hätte. Sie lachte aus Freude. Sie lachte mit ihrem ganzen Wesen – ein Lachen, das alles enthielt und mich befremdete. Meine Erziehung befahl mir die Augen zu schliessen und mich abzuwenden. Vor Überraschung blieben mir die Worte im Halse stecken, ich blieb stehen und genoss ihre Umarmung. Einmal mehr bekam ich den doppelten Ursprung der menschlichen Herkunft zu spüren. Der himmlisch-christliche Geist stand im Widerspruch zu meiner Natur. Meine Triebhaftigkeit meldete sich unmittelbar kräftig und fordernd. Ein Erschauern und Verlangen zugleich. Die Moral mit der Botschaft der Sünde liess mich jedoch erstarren.
Ihre warme Stimme wirkte fraulich:
„Das Tor öffnet sich stets in dem Moment, wenn der Ankömmling aufgeben will. Für mich ist es allerdings das erste Mal, dass einer sein Lager vor dem Eingang aufschlagen will.“
Sie umarmte mich erneut und hiess mich im Paradiesgarten des „Freundes aller Suchenden“ herzlich willkommen.
„Wir erwarten dich schon seit einigen Tagen.“
Ich packte meine Sachen wieder zusammen, schulterte meinen Rucksack und folgte unbeholfen und etwas steif dem sehr jugendlich wirkenden, vom Aussehen her vielleicht zwanzigjährigen Weibchen, zum Haupthaus, das gute Hundert Meter vom Eingang entfernt stand. In unmittelbarer Nähe, unter Palmen und einheimischen Laubbäumen, von Sträuchern verdeckt, einige Hütten, Wohneinheiten für die Schüler und Besucher. Lianen und efeuartige Gewächse wucherten an den Bäumen empor oder hingen von den Ästen herunter. Mir fremde Pflanzen bildeten ein undurchsichtiges Gestrüpp. Die üppige, würzig riechende Vegetation wirkte betäubend. Eine brodelnde Sinnlichkeit, die sich durch das Verhalten der Bewohner noch verstärkte und meine über mehrere Monate gepflegte Askese unwiderstehlich in Frage stellte.
Die ersten Eindrücke waren verwirrend. Meine Vorstellungen von einer Weisheitsschule entsprachen ganz und gar nicht dem, was ich hier vorfand. Keine Asketen, keine Klosterschule, sondern einen Garten der Liebe und der Lebensfreude – und der Freundschaft. Ein Bordell! schrie eine innere Stimme.
Yana, das weibliche Wesen, das mich am Tor empfing, führte mich zuerst in die Küche, ein offener Ort unter einem mit Palmenwedeln bedeckten Dach, mit einer Feuerstelle und einigen Eimern gefüllt mit Wasser. Dort waltete die Gefährtin des Freundes aller Suchenden. Eine nährende Mutter wie aus einem Bilderbuch, ein Wunschtraum für jeden Säugling. Sie sass im Lotussitz auf dem Boden, ihr Schoss lediglich leicht mit einem feinen, durchsichtigen, weissen Baumwoll- oder Seidentuch bedeckt. Ihre prallen und festen Brüste nackt und einladend, so als ob sie die ganze Welt mit Muttermilch verwöhnen könnte. Ihr ganzes Wesen strahlte aus einer Innigkeit, wie ich es bis jetzt noch nie an einer Frau sehen konnte. Ihre Stimme mütterlich, etwas leise aber sehr bestimmt. Sie hiess mich herzlich willkommen und empfahl mich ihrer Tochter zur Betreuung. Bald musste ich feststellen, dass mit Tochter nicht ihre leibliche gemeint ist. Sie sagte allen Frauen der Gemeinschaft Tochter, so wie alle Anwesenden sie mit Mutter ansprachen – zu den einzelnen Männern sagte sie stets „mein Sohn“.
„Meine Tochter wird das Beste für dich tun. Sobald du ausgeruht und erfrischt bist, werden wir miteinander über deinen Aufenthalt bei uns reden.“
Fünf weitere Frauen schlossen sich dem Begrüssungsritual an. Alle mit einem feinen, durchsichtigen, hellblauen Tuch bekleidet, das mehr dem Insektenschutz diente, als der Bekleidung. Drei Männer kamen hinzu, nackt bis auf den Lendenschurz.
Das waren also die Bewohner der tantrischen Gemeinschaft. Quasi eine Familie. Nebst Elternpaar sieben weibliche und drei männliche Artgenossen. Sie lebten von dem, was ihnen der grosse, gepflegte Garten bot. Früchte und Gemüse im Überfluss. Kein Fleisch! Also äusserst bescheiden, äusserst gesund, dementsprechend paradiesisch. Dazu ist jedoch zu sagen, dass die Schüler aus dem Westen für den Lebensstandart gerne etwas beitrugen.
Paradiesisch im wahrsten Sinne. Von der reichen Natur umgeben, im warmen Klima einer tropischen Landschaft, lebten sie nur vom All bekleidet, ohne Scham und Ziererei. Für mich ein Schock. Meine zur Askese neigende Einstellung wurde hart angegangen. Meine Tendenz zur Flucht bekam reichliche Nahrung. Meine Erziehung stand im Widerstreit zur Neugier und meinem Drang nach Wissen. (Die Neugier wurde von meinen Erziehern dem Bösen gleichgestellt.) Dazu meine leidenschaftlich erregte Natur, die Begierde, die instinktive Intelligenz meines ausgehungerten Leibes, die nach Erlösung schrie. Ich litt an einer Gespaltenheit ohnegleichen. Mein anerzogener Geist stand gegen die Natur und die Natur wider den Geist. Dazwischen gab es nur eines: Leiden.
Wenige Tage später bekam ich darauf eine lapidare Antwort, was zu tun ist, damit das menschliche Glück in mein Leben einziehen kann. Der Meister, der sich als Freund aller Suchenden ausgab, kannte das einzig richtige Rezept: „Der Geist fällt nicht vom Himmel! Du musst dir einen Geist schaffen, der liebend auf deine Natur eingeht und ihr gibt, was sie braucht!“
Der Freund konnte gut reden. Die mir in der Kindheit eingetrichterten Glaubenssätze boten dagegen ein Bollwerk, das sich nicht so leicht knacken liess.
„Dann bleibt dir das Leiden bis du zur Einsicht kommst.“ Das heitere Grinsen des Alten, das mit diesen Worten einherging, war so eindringlich, dass ich nur mit einem verzweifelten Schrei reagieren konnte. Vom Meister, der solche Worte sprechen konnte, war allerdings bei meiner Ankunft nichts zu sehen. Ich musste zwei Tage warten bis ich ihn zu Gesicht bekam.
Yana, das mädchenhaft anmutende, bald dreissig Jahre alte Wesen, kümmerte sich sehr fürsorglich um mich. Wie sich später heraus stellte, wurde sie für mich bestimmt. Nachdem sie mir die Füsse gewaschen, gesalbt und mich bewirtet hatte, nahm sie meine Kleider mit in ihre Hütte und gab mir ein Lendentuch. „Mehr brauchst du bei uns nicht!“, sagte sie sanft und lächelte ein ebenso sanftes Lächeln. „Du wirst bald entdecken, dass einengende, alles bedeckende Kleider bei uns sehr unbequem sind und das Leben sehr komplizieren. Es genügt, dass uns das All bekleidet. Unsere Nacktheit besagt, dass wir innerlich zu einem leeren Raum geworden sind, ganz offen für die universell schöpferische Energie. Unser Freund-aller-Suchenden wird dir dazu bestimmt einiges zu sagen haben.“
Ich wehrte mich vehement und weigerte mich diese schamlose Nacktheit mitzumachen. Das ging mir wirklich zu weit. Aber ich konnte meinem erneuten Impuls, den Ort sofort wieder zu verlassen, nicht nachgehen, denn ich stand ohne Kleider da, lediglich mit einem blauen Tuch in den Händen, mit dem ich nicht umzugehen vermochte. Und wieder ihr fröhliches Lachen. Ohne Ziererei legte sie mir das Tuch um den Unterleib und berührte dabei mein Glied. Ich empfand es als Provokation und begehrte auf.
„Geh jetzt schlafen und ruh dich aus.“ Und nochmals verwies sie mich auf den Freund-aller-Suchenden, der mir dann alles erklären und beibringen wird. „Schliesse das Moskitonetz, sonst bist du am Morgen zerstochen wie ein Sieb.“
Sie liess mich alleine und ging auf Distanz. Keine Annäherung. Aber immer, wenn ich unruhig wurde, erwachte oder etwas brauchte, war sie zur Stelle und umsorgte mich. Als ich ihr, spontan berührend, etwas zu nahe kam und zum erotischen Spiel animieren wollte, wies sie mich streng zurück: „Wir sind keine Huren und leisten keine Sexdienste. Bitte, missbrauch unsere Offenheit nicht. Und nochmals, unsere Offenheit ist keine Einladung an sexuelle Freibeuter. Unsere Nacktheit heisst, dass wir nichts zu verbergen haben und rein bis ins Innerste sind. Wenn wir mit einem Partner verschmelzen, heisst das soviel wie ein Einswerden mit dem Kosmos, der universellen Energie. Das Märchen vom biblischen Sündenfall gehört nicht zu unserer Kultur. Wir leben im Hier und Jetzt, frei von jeder Sünde und all dem, was christliche Kirchen tabuisiert haben. Hast du schon eine Rose gesehen, die schamhaft ihren Kelch bedeckt? Sie zeigt sich doch in ihrer ganzen Schönheit, so wie sie ist. Auch du wirst bald einmal erleben, wie meine Rose zu blühen vermag.“
Ausgeruht. Nach zwei Tagen mischte ich mich unter die Anderen. Alle freuten sich, dass ich hier war. Ein Willkommen, das mich tief berührte. Keine Überschwänglichkeit, keine Aufdringlichkeit, keine Neugierde, keine Ausfragerei. Es schien, als ob ich schon immer zu ihnen gehörte. Ganz selbstverständlich. Mich erstaunte ihre Offenheit, das unmittelbare Aussprechen dessen, was wahrgenommen und empfunden wurde. In einer Ausdrucksweise, die mir fremd war, in einer Stimmungslage, die frei von jeglicher Aggression war, sanft, nüchtern, sachlich.
„Gerade das macht unsere Offenheit aus“, erklärte mir die Gattin des Meisters. „Jede zurückgehaltene Empfindung, alles was du unterdrückst, macht dich verschlossen, verarmt dich in deiner Ausdrucksweise. Bei uns gibt es nichts zu verbergen, da wird niemand erniedrigt, alle achten einander. Lerne eine Ausdrucksweise mit der du alles sagen kannst, ohne andere zu verletzten. Lerne deine Gefühlssprache.“
Ich betrachtete die Sprecherin diesmal offen und neugierig. Meine Haare sträubten sich. Mir wurde bewusst, dass ich noch nie eine betagte Frau in leichter Hülle in ihrer Nacktheit zu sehen bekommen habe. Diese Schamlosigkeit! Nein: Diese Schönheit ausgereifter Sinnlichkeit! Eine Ausstrahlung von Zufriedenheit, Fülle und Lebendigkeit. Sie lebte im Hier und Jetzt all das, was die christlichen Kirchen, nach einem artigen Leben, auf das Jenseits hin versprechen. Mit einer körperlichen Intelligenz ohnegleichen. Ihr Alter musste irgendwo zwischen fünfzig und siebzig liegen – und ich begehrte sie. Ich konnte ihrer Ausstrahlung nicht widerstehen. Schamröte stieg mir ins Gesicht. Sie strich mir sanft über die Haare und sagte mitfühlend:
„Ich verstehe dich. Du wirst es erreichen. Wenn du Probleme hast, komm ungeniert zu mir.“
Eigentümlich war, dass in dieser Gemeinschaft das Wort Meister nicht gebraucht wurde. Der Meister war der spirituelle Freund aller, der für die Identifikation mit ihm und dem Universum frei zur Verfügung stand.
Nach der Nachmittagsruhe brachte mich die kindlich anmutende Frau wohlgelaunt zum Meister, dem spirituellen Freund aller Suchenden. Er lag nackt in einem Sarg unter einem Seidennetz, das ihn vor den lästigen Insekten schützte. Wie ein Toter, die Hände auf der Brust gekreuzt. Die Augen geschlossen. Der Atem ging kaum bemerkbar in langsamen Intervallen. Sein Phallus erigiert.
„Seine tägliche Meditation“, belehrte mich meine Begleiterin. „Da legt er sich hinein und wenn er wieder heraus kommt, ist er energetisch aufgeladen, frisch und munter. Neugeboren, wie er sagt. Er wird dich gleich begrüssen.“
Der in der Liegekiste Meditierende hatte offenbar die Stimmen gehört. Er blinzelte und öffnete die Augen. Ich war überrascht und zugleich sofort ergriffen. Ich sah nur das Leuchten seiner Augen. Ein Leuchten, ja ein Strahlen aus einer anderen Sphäre. Zugleich fühlte ich mich durchschaut, nicht eindringlich, sondern erfassend, irgendwie verständnisvoll, verzeihend. Ich spürte, vor diesem Manne gab es nichts zu verbergen, zugleich wusste ich, dass ich in dieser Gemeinschaft für eine Lehrzeit bleiben wollte. Ich war mir sicher, dass ich mich als Schüler diesem „Spirituellen-Freund-Aller“ unterwerfen durfte. Instinktiv nahm ich augenblicklich eine ehrerbietige Haltung ein, ohne jedoch meine Wachheit aufzugeben. Das Verzeihende, das von diesem Weisen ausging, brauchte ich, um auf meinem Weg weiter zu kommen.
„Aha, du bist also mein neuer Schüler. Ich habe dich erwartet. Wieder einer aus dem Westen, der meint, er müsse sich selber in der Fremde suchen. Die Menschen dort müssen sich selber sehr fremd geworden sein. Sicher hast du schon gehört, dass das Selbst in dir ist. Es ist jenes Ding, das dich ausmacht und alle Wesen miteinander verbindet. Weshalb kommst du deswegen nach Indien, da es doch in dir zu finden ist?“
Seine Stimme war warm, freundlich und klar, aber auch spöttisch. Er wartete meine Antwort nicht ab. Spontan hätte ich auch keine geben können. Zu verblüfft war ich.
Mühelos, ja elegant, beinahe jugendlich stieg er aus der Liegekiste und legte sein weisses Lendentuch um. Von alt und gebrechlich keine Spur. Dabei, so schien es mir, tat er jede Bewegung bewusst. Er muss jede Bewegung wahrnehmen, und ganz in seinem Gespür sein. Er schien all das zu haben, was ich seit Jahren suchte – das heisst, wovon ich gelesen habe, nie selber erfahren habe und nicht wusste, was es eigentlich ist. Ich wusste nur, dass ich nach etwas Wesentlichem suchte, das mich befreien sollte. Dafür nahm ich alle Leiden in kauf, so auch die wochenlange, entbehrungsreiche Wanderung durch Indien, nur um einem sagenhaften Ruf eines dubiosen, alten Weisen zu folgen, einem Ruf, der mehr Traum als Wirklichkeit war.
Jetzt war ich hier. Ein eigenartiger, sehr vitaler Mann, mittlerer Grösse, stand vor mir. Er bewegte sich wie ein fröhlicher, munterer Jüngling, zugleich hatte er eine Strahlung, licht und heiter. Schüttere, weisse und lange Bart- und Kopfhaare. Sein Alter liess sich nicht einschätzen und er selbst wusste es nicht. Darauf angesprochen, sagte er immer lachend: „Geist kennt kein Alter!“ Seine Angetraute und Lebensgefährtin konnte dazu nur sagen, dass er schon vor vierzig Jahren, als sie sich mit ihm vermählte, gleichermassen weiss, vital und jung war.
So erschien er mir, immer noch etwas voreingenommen, als ein Weiser mit einer sonderbaren emotionalen Intelligenz. Auch sein Intellekt schien universell gebildet. Mit einer Logik, die zwingend war. Zudem ein Wissen, das mich immer wieder zum Staunen brachte. Er schien aus einer unerschöpflichen Quelle zu schöpfen.
Er fragte mich nochmals nach meinem Suchen.
„Ich suche nach Erlösung von meinen Leiden – nach dem, was ich in Wirklichkeit selber bin!“
Er schaute mich wie aus einer anderen Welt an: „Hingabe ist alles. Gib alles hin, was heute dein Ich ausmacht. Dann kann die Wahrheit deiner Existenz erwachen. Allerdings gilt es zu beachten, an wen du dich hingibst. Wenn du dich an Gott hingibst, tappst du ins Nichts, ganz einfach weil Gott eine Idee ist. Ideen taugen nichts, ebenso wenig Ideologien. Sie haben keinen realen Hintergrund. Es sind quasi Luftschlösser – also Nichts. Ich kann dir nur eines empfehlen: Gib dich einer Frau hin, mit Haut und Haaren, und du wirst neu geboren. Gib dich deinen Begierden hin bis sie gestillt sind und frei von ihnen bist. Das ist einiges sinnvoller als Askese mit ihrer Begierde die Begierde zu bekämpfen.
„Viele leiden unter ihrer Getrenntheit. Der Geist ist gegen die Natur und die Natur kann nicht anders, und zwar mit Recht, als gegen diesen Geist sein. Jeder trägt zweierlei Prägungen mit sich herum. Die von Gott gewollten Urprägungen, welche die Schöpfung zum Leben und zur Arterhaltung geschaffen hat. Später kamen die kulturellen Prägungen hinzu, zudem die durch Erziehung und Kirche geprägten Glaubenssätze und Überlebensschlussfolgerungen. Die Folge davon ist, dass sie einander bekämpfen, weil, vor allem im Westen, religiöse Gebote und Glaubenssätze der Gott gegebenen Natur feindlich gesinnt sind. Gott soll den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen haben. Wie kann er da in seinem Arterhaltungstrieb böse sein? Er ist doch von Gott geschaffen. Vermehret euch wie der Sand am Meer. Gott hat seinen Ebenbildern den Auftrag gegeben Ebenbilder in absurden Mengen zu produzieren. Die Quintessenz ist, dass du dir einen neuen Geist schaffen musst, der deiner Natur wohlgesinnt ist. Verbinde dich mit der Schönheit der Natur. Schönheit hebt die Trennung auf. Sobald du das mit deiner persönlichen Intelligenz geschaffen hast, bist du wieder gottselige Einheit im Paradies. Das ist die Kunst, das Paradies zu finden. Um dieses Ziel zu erreichen, musst du das Göttliche in dir selber erkennen. Das ist der einzige Weg! Jeder Erwachte ist Gott, Tempel und Anbeter zugleich.“
Er lachte schelmisch und ging davon. Dabei brummte er in seinen weissen Bart: „Ich gehe jetzt meinen Tempel besuchen.“
Ich staunte nicht wenig. Er ging jugendlich, frisch auf seine Frau zu, winkte ihr, zog sich mit ihr in seine Hütte zurück. Auf meine Nachfrage, was das zu bedeuten habe, bekam ich wiederum von Yana zur Antwort: „Er ist Bewusstsein und Energie. Er hält das Feuer der Begierde aufrecht, damit er lebendig bleibt, jung und munter.“
„Und dazu braucht er seine Frau?“
„Es ist sein Wahl – heute.“
„So kann es täglich eine andere sein? Also auch du?“
„Nur solche, die eingeweiht sind. Begierde ist die Glut des Lebens. Wir tun es, um unsere Wohlgefühle zu pflegen, die Freude am Sein zu feiern und die göttliche Verbundenheit zu erneuern, um lebendig zu bleiben.
„Und die drei anwesenden Männer?“
„Sie sind auf dem Weg. Jeder hat eine Yogini, die sie aktiv begleiten. Es geht immer um die persönliche Befreiung. Sie müssen, wie du, zuerst von den schlimmen Folgen der Askese befreit werden. Auf dem Weg gibt es allerdings Wertvorstellungen, die jeder loslassen muss.“
„Und du?“
„Ich bin eingeweiht. Der Freund jedoch …“
Ich liess sie nicht ausreden, sondern reagierte ungewöhnlich heftig:
„Das heisst, dass du zu seinem Tempel wirst, wenn er dich ruft?“
„Dazu müsste ich einverstanden sein. Oft ist es so, dass wir alle zusammen zu einem einzigen Körper verschmelzen. Da ist ein sexueller Kontakt überflüssig, das geistige Phänomen genügt. Aber eins sei dir gewiss, wir pflegen die Begierde mit Leidenschaft, damit wir jung bleiben.“
Meine beiden letzten Fragen überraschten mich selbst. Ich spürte eine keimende Eifersucht. Das muss Yana aus meiner Stimme gehört haben. Sie betrachtete mich erstaunt und sagte schlicht: „Jetzt bin ich jedoch deine Lehrerin und bin ganz auf dich ausgerichtet. Sobald du das Göttliche in mir zu erkennen vermagst, können wir daran gehen, zu erkennen, dass die Begierde die Glut des Lebens ist und alles Lebendige ausmacht. Lerne die Göttin in mir zu verehren und ich werde für dich zum Liebestempel. Immer, wenn du es willst. Es liegt an dir den Weg zu gehen, um das Wesen der Begierde zu erkennen und um dich zu erneuern.
„Das Leben ist die Begierde selbst – selbst dann, wenn du die Begierde abtöten willst, um dir den Himmel zu verdienen, auch dann ist das wiederum eine Begierde. Begierde ist des Lebens Antriebskraft.
„Das gilt für alle Menschen gleichermassen. Ohne Unterschied. Du bist uns fremd und wir müssen auch dir fremd sein. Wir werden vom Bewusstsein getragen und du von deinem Verstand. Eigentlich kennst du dich selber nicht. Als intelligenter Mensch bist du auf der Suche nach dir selber. Deshalb bist du hier. Wir nehmen dich vorbehaltlos auf, weil wir wissen, dass du durch deine Erziehung in die Irre geführt worden bist. Sobald du in der Universellen Energie bist, gibt es zwischen dir und mir keinen energetischen Unterschied mehr, auch zu unserem Freund-Aller und allen anderen Eingeweihten der Gemeinschaft. Da wir in dieser Energie ohne Unterschied sind, ist die Vereinigung mit jedem gleichermassen glückselig. Die Differenzierung erfolgt durch das Bewusstsein. Es ist stets das Bewusstsein, das über allem steht. Der kürzeste Weg zu dieser Energie ist, indem du dich mit unserem Freund-Aller identifizierst. Hingabe an einen ganzheitlichen Menschen, ja Anpassung an ihn, ist das A und O der Erkenntnis. Er steht dir als Wegweiser gerne zur Verfügung. Das ist der Grund weshalb du hier bist. Wenn es sonst ginge, hättest du im Westen bleiben können.“
Ich erwiderte: „Er sagte doch, dass ich mich total an eine Frau hingeben soll, um mich zu erneuern.“
Ein hell klingendes Lachen war die Antwort. Sie nahm mich an der Hand und zog mich in ihre Hütte. „Dafür bin ich bestimmt. Es ist alles sehr einfach – lediglich dein Ich hat Angst sich zu verlieren und geht in den Widerstand, und dein Verstand kann es nicht begreifen, weil er es nicht verstehen kann. Trotzdem. Irgendwann müssen wir beginnen, also beginnen wir jetzt. Setz dich so hin, dass ich mich auf deinen Schoss setzen kann. Und fort mit dem Lendentuch! Hingabe heisst allerdings, dass du passiv bleibst.“
Gesagt, getan.
„Vergiss die Sexualität und verschmelze mit meiner Wärme,
schmelze in meinen Bauch hinein.
Schmelze wie ein Kind in meinen Bauch hinein, so als wärest du mein Kind.
Sobald du wieder Kind in meinem Bauche bist, sind wir eins
und du wirst wissen, was Hingabe ist.“
Sie wollte keinen Sex, dabei sassen wir Geschlecht an Geschlecht. Der Sog in sie hinein war unerträglich. Sie forderte mich nochmals auf, mich auf ihre Wärme auszurichten. Ihre Wärme war wirklich von besonderer Art, ganz anders als meine eigene. Wir blieben lange Zeit so sitzen und ich nahm ihre Wärme auf – aber mit ihr verschmelzen und wieder zum Kinde werden, vermochte ich nicht. In ihrer Wärme veränderte sich jedoch schnell mein sexuelles empfinden. Der sexuelle Drang nahm merklich ab. Ich verlor meine Aggressivität und kam in ein Gefühl des Hingebens. War das eine Hingabe an mein Glied? Es blieb fest und kräftig. Ich weiss nicht wie: Yanas Muschi holte sich meinen Stecher und nahm ihn völlig in sich auf. Ich spürte wie ihre Muschi ihn in sich hinein sog und ihn sanft zu melken begann. Völlig unglaublich: eine Muschi, die das Glied zu massieren vermochte. Nach einer unendlich scheinenden Weile, kaum drei Minuten, verlor ich die Spermien. Sie sog weiter und weiter, so dass mein Glied weiter in ihr verweilen konnte. Alles unerklärlich für mich. Ich fühlte mich dabei jedoch schlicht und einfach glücklich. War das der Beginn meiner Hingabe?
Fortan verbrachte ich die Nächte mit ihr zusammen in ihrer Hütte, damit ich die Hingabe üben und eins mit ihrer Wärme werden konnte. Meine Hütte diente mir weiterhin für den Rückzug und zur geistigen Sammlung.
Als ich wissen wollte, wie es dazu kommt, dass ihre Muschi mein Glied in sich hinein saugen und massieren kann, klärte sie mich auf: „Das ist durch bewusste Stärkung der Beckenbodenmuskeln für Mann und Frau leicht erlernbar. Beim Mann bewirkt es eine stärkere Erektion und sein Glied wird grösser bis er eine Muschi völlig ausfüllt. Er kann dadurch auch den Samenerguss verhindern und die Vereinigung über Stunden geniessen. Was eine Frau damit alles bewirken kann, wirst du durch mich erfahren. Etwas davon hast schon mitbekommen. Vor allem kann ich damit ein Glied fester umschliessen und damit die erotischen Empfindungen verstärken. Du kannst sofort mit dem Training der Beckenbodenmuskeln beginnen. Der Muskel befindet sich zwischen Anus und Geschlechtsorgan. Du kannst ihn leicht lokalisieren. Wenn du beim Urinieren den Strahl anhältst, dann ziehst du den Muskel zusammen. Das ist es. Zieh ihn willentlich und bewusst zusammen und lass ihn wieder los. Tue es mehrmals kurz und schnell und bleib dabei im Gespür. Das ist der Beginn. Übe es heute mehrmals, jeweils für zwei, drei Minuten. Und dann beginne mit dem Zusammenziehen gleichzeitig einzuatmen und mit dem Ausatmen wieder loszulassen. Später kommt noch das psychische Atmen dazu.“
Es war wirklich sehr einfach und ich begann mit der Erforschung der PC-Muskeln. (Musculus pubococcygeus). Jener Muskel, mit dem das Urinieren angehalten und der Urin auch zurückbehalten werden kann. Es liegt mir fern, hier einen Kurs zum Training der PC-Muskeln zu geben. Mein Aufenthalt im Ashram des Freundes für alle Suchenden, hatte keinen logischen Aufbau. Es geschah alles spontan, stets im Augenblick in dem ich es begreifen konnte. Wer mehr über den PC-Muskel erfahren will, findet Hinweise im Netz in jeder Menge.
Gleich am andern Morgen, nach meinem Spaziergang durch die teils wild wuchernde Parklandschaft, traf ich den Freund aller Suchenden. Er begann wie absichtslos zu Plaudern:
„Es ist alles sehr einfach. Höre auf deine Natur, entdecke was sie braucht und überlege dir, wie du deren Bedürfnisse in Übereinstimmung mit deinem Bewusstsein befrieden kannst – immer aus einem Wohlgefühl heraus. Wohlgefühle sind wichtig, weil du damit in den Kontakt mit den heilenden Energien kommst. Leiden hat keine Heilkraft. Anfänglich kommst du vielleicht in einen Konflikt mit deinem christlichen Gewissen. Vergiss es einfach. Es hilft dir nicht weiter. Das Gewissen beruht auf Unwissen. Beginne also mit deinen eigenen Erfahrungen, sammle deren Ergebnisse und du wirst von Selbst zum Wissenden und Weisen heranwachsen.“
Darauf erzählte er mir von seinen eigenen Erfahrungen. Dabei manövrierte er sich mehr und mehr in eine Vaterrolle, der seinem Sohn die tiefsten Geheimnisse des Menschseins erklärte und sich dabei bis ins innerste entblösste. Auf das Sterben und Wiederwerden ging er besonders liebevoll ein.
„Täglich lege ich mich in den Sarg, löse mich von allem ab. Ein Abschied von allem, zugleich ein Willkommensgruss an den Tod. Sobald ich frei bin und bereit zu sterben, schiesst die schöpferische Energie machtvoll in meinen Körper. Ein Bad in der Urkraft. Ich bin vom Scheitel bis zur Sohle erigiert. Mein praller Phallus ist lediglich ein äusseres Merkmal dafür. Eine Neugeburt. Angefüllt mit universeller, kosmischer Energie. Göttlich. Jetzt bin ich die Schöpfung selbst – ein Partner der Schöpfung. In jungen Jahren ging ich damit unter die Leute und predigte: Macht aus eurem Körper ein Tempel der Liebe und nährt ihn mit Wohlgefühlen. Das heilt euch von euren Leiden und Krankheiten. Ich war ein Wohltäter und wurde zum Lehrer – aber auch die Zahl der Feinde wuchs. Die Schriftgelehrten blökten. Ich zog mich zurück und begann im kleinen Kreise zu wirken. So bin ich heute für dich da.
„Finde zurück zu deiner Natur. Schaff dir ein Bewusstsein, das deiner Natur entspricht und schick den naturfeindlichen Geist zurück in den Himmel. Der asketische Geist ist kein besonders gutes Geschenk, das sich der Mensch aufgebürdet hat. Die daraus entstandene Natur- und Menschenfeindlichkeit bringt den Menschen nicht weiter. Vergiss das alles und koste die Geschenke der Natur.
„Solange du einem Geist angehörst, welcher die Natur als verdorben betrachtet wirst du das Glück nicht finden. Der Drang nach glückhafter Triebbefriedigung ist und bleibt die Grundlage aller Glückseligkeit. Schau dich um! Lerne ganz und gar auf dieser Welt zu sein, hier in unserem Garten, mit seiner ganzen Schönheit. Ohne Zukunft und ohne Vergangenheit. Sobald du ganz hier bist und ganz im Jetzt, gibt es kein Ego mehr. Du hast alles, was dich glücklich macht.
„Vergiss nicht, immer ist es heute, niemals gestern, niemals morgen. Du kannst dich an das Gestern erinnern und du kannst auf dem morgigen Tag warten, von ihm träumen und dadurch den Augenblick verpassen. Das Leben findet immer jetzt, in diesem Augenblick statt.“
Bevor der Freund sich für heute zurückzog, erklärte er mir noch: „Die besten Erzieherinnen für das, was ich zu vermitteln habe, sind die Frauen. Alle, die hier wohnen, sind eingeweihte Yoginis. Yana wird dich in den Alltag des liebenden Miteinanders einführen. Um glücklich zu sein braucht es keine Exerzitien. Das Akzeptieren der banalen Realität genügt.“ Lachend, ganz auf mich ausgerichtet meinte er noch: „Jede Frau in meiner Familie wird dir zum Engel, wenn du fähig bist, sie als Engel zu sehen. Übe dich darin und du wirst bald mit Engelszungen reden.“
Das Akzeptieren der banalen Realität, sollte das wirklich alles sein? Ein totales Leben im Hier und Jetzt? Dazu müsste man im Paradies sein. Im Paradies? In der westlichen Welt kann dieses Paradies wohl nicht liegen. Dafür wurde dort die falsche Hirnseite zu einseitig entwickelt. Durch die einseitige Entwicklung gedieh in jenen Landen eine Utopie, ein Traum, der, moralisch gründlich ausgeschlachtet, ein Paradies versprach, das bei einem guten Leben, nach dem physischen Tod stattfinden soll. Ein Traum, der viel zu weit vom Menschen entfernt ist. Demgegenüber blieb im Osten die rationale Entwicklung des Gehirns im Hintertreffen. Deshalb sind die Menschen dort noch näher am Paradies. Sobald sich die beiden Entwicklungen in der Mitte treffen, erfährt der Mensch einen Reifegrad, der die Ganzheit ausmacht. Dann kann ein Hier und Jetzt gedeihen, welche Träume und Utopien überflüssig machen.
Die Pflanzen und die Blumenpracht im Garten, die Obstbäume mit ihren Früchten, das fruchtbare Gedeihen wo das Auge hinschaute, erleichterten das Bemühen einen der Natur freundlichen Geist zu schaffen. Schönheit ist der Sinn des Daseins! Ich verstand plötzlich, weshalb der Beruf eines Gärtners der glückhaft-beste auf Erden sein soll. Ein Gärtner der Liebe! Ich musste mich lediglich auf die Natur ausrichten, sie beobachten, auf sie hören und ihr freundlich begegnen. Die Natur: eine Lehrmeisterin ohnegleichen. Weshalb sollte die menschliche Natur nicht dieselben Qualitäten aufweisen? Die Schöpfung hat dem Menschen alles mitgegeben, damit er leben und gedeihen kann. Was hat da ein klerikaler Geist dreinzureden? Wieso sollte die menschliche Natur, aus dieser Sicht betrachtet, verdorben und böse sein? Komischer Geist.
Um meiner Natur zu entsprechen musste ich mit vielen Glaubenssätzen auseinandersetzen. Da gab es tatsächlich sehr vielen Mist auszuräumen. Auch einige Tabus, die eingefleischt waren. Ich sah in der Gemeinschaft des spirituellen Freundes keine Eifersucht und keinen Neid. Ich sah eine Einheit von Mensch, Geist und Natur; Spiel und Zeitvertreib; Lebensfreude und Lust; ein liebevolles Miteinander. Der einzige Fremdkörper darin war ich mit meinen kulturellen Prägungen und meiner Erziehung. Es dauerte Monate bis ich nichts mehr zu verbergen hatte, nackt dastehen, loslassen und mich voll einfügen konnte.
Ohne die kindlich anmutende Frau, die mich empfangen, gewaschen und gefüttert hatte, die mir mein spiritueller Freund als Lehrerin und zur Einweihung empfahl, hätte ich die Integration nie geschafft. Sie gedieh rasch zu einem liebevollen, geduldigen Engel, der aus mir ein Wesen hervorzauberte, von dem ich selber keine Ahnung hatte. Ich erschien mir fremd. Ich wehrte mich beharrlich dagegen. Ich glaubte zeitweise, dass ich mich mehr und mehr zu einem Weichling entwickelte und befürchtete manchmal, durch den spirituellen Sex, der hier gepflegt wurde, die Selbstachtung zu verlieren. Das primitive Gewissen mit seiner Angst vor Strafe liess nicht locker und verfolgte mich noch etliche Monate, wenn nicht Jahre, bis ich durch echtes Wissen diesen Mist ausgeräumt hatte. Aber ohne grosse Ereignisse wurde ich durch meine Hingabe an Yanas Wärme zum Partner. Sie nahm mich immer wieder in sich auf und ich durfte in jenem Kanal verweilen, durch den mich meine Mutter einst gebar. Dabei gab es für mich keine aggressive Rolle. Beim täglichen Üben der Hingabe setzte sie sich auf meinen Schoss und nahm meinen Stecher in sich auf. Yana ging sehr vorsichtig ans Werk. Was sie bot, hatte Hand und Fuss. Keine blaue Theorie aus dem reizenden Nichts. Der Mensch ist Mensch und hat als Mensch zu leben. Er hat seine Sinne, seine Bedürfnisse, seine Begierden – alles Voraussetzungen, um in den Geist hinein zu wachsen. Nicht durch Verdrängung und Abtöten, sondern durch das intelligente Ausleben, durch Spiel und Zeitvertreib. Das Paradies ist hier und jetzt, jeden Augenblick.
Sie forderte mich immer wieder zur Hingabe auf, um mit ihr zu verschmelzen. Durch mein tägliches Training der Beckenmuskeln konnte ich meinen Wünschen, für immer in ihrer Muschi zu verweilen, mehr und mehr entsprechen. Mein Glied wurde dabei länger, dicker und kräftiger. Zusammen mit ihrem Spiel wurde das Vergnügen gesteigert und die Lebensfreude gedieh zu meinem täglichen Wohlbefinden.
Wie bei mir üblich, eigentlich normal, sass oder stand ich stets einwenig vornüber gebeugt, so als ob ich eine Last auf meinen Schultern zu tragen hätte. Eines Morgens nahm Yana mich in ihre Hände und richtete mich sanft fühlend auf. Natürlich gab ich Widerstand und stemmte mich dagegen. Ich wusste zur Genüge, dass sie keinen Sex wollte. Für mich jedoch hiess Berührung gleichviel wie Sex. Augenblicklich war ich erregt. Zum xten Mal erklärte sie mir, dass Berührung und Zärtlichkeit keine Einladung zum Geschlechtsverkehr bedeuten, sondern Zeugnisse einer bedingungslosen Liebe.
„Richte dich auf! Wie kannst du in deiner Seele und in deinem Geiste aufrichtig sein, wenn du nicht einmal fähig bist, eine aufrechte Körperhaltung einzunehmen? Wir leben nicht mehr im Urwald, sondern du lebst als Mensch unter Menschen. Jede Sonnenblume trachtet nach der Sonne, richtet sich auf und dreht sich nach ihr. Du aber meinst, du müsstest eigensinnig vor dich hin brüten und deine rückständigen Ansichten pflegen. Richte dich auf, bevor du etwas sagst. Dann nehmen deine Lügen von selbst ein Ende. Es sind deine Gedanken, die dich vergiften und krank machen. Es ist an der Zeit, dass du von deinen Verschmutzungen frei wirst.“
Sie war überzeugt davon, dass die Körperhaltung der geistigen Einstellung entspricht – dass durch die Körperhaltung sich der Geist manifestiert. Der Körper ist das Gehäuse in dem sich der Geist manifestiert, oder wie es oft vom Volksmund zu hören ist, der Tempel der Seele. Für viele jedoch eine absurde Brutstätte des Leidens, wie der „Freund-Aller“ bei Gelegenheiten spöttisch bemerkte.
„Übe die Achtsamkeit. Durch Achtsamkeit entsteht Bewusstheit. Alles, was dir bewusst ist, verliert seine magische Kraft – auch Gott, wenn er zum Bewusstsein gedeiht. Also erkenne dich selbst und deinen Gott in dir. Sobald du dein verdrängtes Selbst gefunden hast, brauchst du auch keinen Guru mehr. Es gibt allerdings viele Menschen, die Verwechseln ihr verdrängtes Ich mit Gott und quatschen damit die Welt voller Unsinn.“
„Beginne die Selbsterkenntnis mit der Achtsamkeit auf den ein- und ausströmenden Atem. Das ist der richtige Anfang. Das sagte schon Buddha vor mehr als 2500 Jahren. Bis heute wurde nichts besseres gefunden – ohne Achtsamkeit geschieht gar nichts. Sei achtsam auf alle deine Sinne …“
Solche Aussagen des Freundes blieben mir hängen …
Es war eine tropisch warme Nacht. Der Kosmos zeigte sich in seiner ganzen Schönheit. Yana lud mich ein, die Nacht mit ihr im Freien zu verbringen, um uns auf den Kosmos einzustimmen. Ich hatte von der Verschmelzung mit dem Kosmos schon einiges gehört, wusste jedoch nicht viel darüber und war neugierig, was daraus werden sollte.
Wir lagen nahe beieinander auf dem Rücken, auf einer Unterlage, die uns vor unwillkommenen Ungeziefer schützen sollte. Eine Vorsichtsmassnahme wie sie nicht nur in den Tropen zu empfehlen ist.
„Wenn du so daliegst und in die Sterne schaust, erkenne, dass du ein Teil des Kosmos bist. Nimm es als Tatsache entgegen und sage laut für dich: ‚Ich bin Teil des Kosmos‘. Nimm es in dein Bewusstsein. Achte darauf: Es ist eine Tatsache, nichts anderes. Nun öffne dich für die universelle Energie, die im ganzen All gegenwärtig ist. Diese Energie ist schöpferisch und wird von vielen Gott genannt. Du kannst jedoch weiterhin von Gott reden, aber wisse, es ist die universell-schöpferischen Energie. Achte darauf und übe dich darin, dass dein Körper zum Tempel der Liebe wird, damit du zum Partner der Schöpfung wirst. Du trägst schon seit Jahren alles mit dir herum und suchst es überall auf der Welt, nur nicht in dir.“
Ich erschrak über die Einfachheit ihrer Anleitung. Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich Gott überall dort wo ich mich befinde, finden kann. Sonst nirgends. Darüber habe ich bestimmt schon vieles zu hören bekommen, aber in diesem Augenblick gedieh mir das schon so oft Gehörte zur Erkenntnis. Die Erkenntnis war, als ob ein Leuchten aus meinem Innersten käme.
Meine Begleiterin doppelte nach: „Dann wirst du jetzt erkennen, dass das Göttliche in mir ebenso leuchtet wie in dir. Wenn du es nun zu erkennen vermagst, dass auch ich gleichermassen Teil des Göttlichen, des Kosmos bin, dann steht unserer spirituellen Vermählung nichts mehr im Wege.“
Ich nahm die ganze Glückseligkeit mit in den Schlaf und schlief und fieberte darauf drei volle Tage. Ich erwachte als neuer Mensch, ganz entspannt im Hier und Jetzt.
Der Rausch der Erkenntnis dauerte.
Die nächste Nacht unter freien Sternenhimmel! Wieder redete Yana und gab Anweisungen. Diesmal folgte ich ihr willig. Allerdings hatte ich nur noch das Verschmelzen mit ihr im Kopf. Ein schiergar endloses Begehren. Yana fand das wunderbar. „Du bist auf dem richtigen Weg! Nun lass uns Weiterschreiten.“
Das astronomische Wissen um den Kosmos, auch das Kennen der astrologischen Sternzeichen halfen mir wesentlich beim Betrachen des Himmels und boten mir reichlich Stoff für die Unterhaltung mit meiner Lehrerin. Zum Himmel hoch schauen, die Sterne betrachten und die Sternbilder erkennen sind eines, mit dem Kosmos zur Einheit verschmelzen, etwas ganz anderes. Die Bekanntschaft mit der Leere, die zwischen mir und dem Mond besteht, den Planeten, der Sonne, liess mich erschauern. Jedes mal, wenn ich es ins Bewusstsein nahm. Diese gewaltige, unendliche Leere – der Kosmos, der durch die universelle Energie zusammen gehalten wird. Viele nennen diese universelle, schöpferische Energie Gott. Sie hat viele Namen. Gleichgültig jedoch wie sie genannt wird, das Verschmelzen mit ihr ist die grosse Ekstase.
Yana hatte jedoch anderes auf dem Herzen, als die Worte des Freundes aller spirituell Suchenden zu rezitieren. Nach einer meditativen Pause in der Stille der Nacht, begann ihre Belehrung von neuem: „Spüre deinen Atem – deinen ein- und ausströmenden Atem. Du bist jetzt hier und jetzt und ganz offen für die universelle, kosmische Energie. Sie fliesst in deine Mitte, du bist mit ihr verbunden und Teil davon. Und nun betrachte die Schönheit des Kosmos. Du brauchst den Himmel nicht mit Fantasiegestalten zu besiedeln. Das unterlasse bitte. Die nackte Schönheit des Kosmos genügt, um dich erschauern zu lassen und um die schöpferische Energie zu erfahren. Die Einheit damit ist das Ziel unserer Hingabe. Schönheit ist der Sinn der Welt.“
Ich lag da, neben Yana, beide nackt, nur mit einem feinen Tuch bedeckt. Ich berührte sie und sofort war ich erigiert. Sie reagierte wie üblich sehr behutsam. „Es ist wunderbar, dass die Nähe einer Frau, in dir eine derartige Schwingung auszulösen vermag. Die Sexualisierung der Berührung ist jedoch ein Intelligenzmangel, der dadurch entsteht, dass Berührung sexualisiert wird.“
Ein Wortspiel. Es dauerte bis ich begriff. Bestimmt hatte sie es von ihrem Freund und Lehrer übernommen. Sie liess mir jedoch keine Zeit, um lange zu überlegen. Ich lag auf dem Rücken und sie setzte sich auf mich und nahm meinen Stecher in sich auf. Wir wurde beide stille. Das innere Spiel der Liebesmuskeln wurde zu einer langdauernden Ekstase. Wir verschmolzen ineinander, wir wurden eins, gleichsam zum Kosmos.
Nach dem Spiel blieben wir in dieser Stellung, Yana auf mir sitzend. Sie sprach: „Sex mag ein Trost sein. Durchaus verständlich. Dahinter steckt ein Mangel an Berührung aus früher Kindheit. Aber wisse, wer das Betasten sexualisiert, kann sich geistig nicht weiter entwickeln. Zärtlich gestreichelte Neugeborene werden intelligent und werden später die Berührung nicht Sexualisieren, sondern den Tastsinn ohne Absichten und Bedingungen für das eigene Wohlbefinden und dasjenige anderer einsetzen. In sogenannt primitiven Kulturen, in vielen Völkern in Asien und Afrika, massieren Mütter die Neugeborenen bewusst und aktivieren damit die verästelten Nervenstränge – sie nennen das „vollenden“. Ein Kind kommt nicht alleine durch die Geburt zur Welt. Säuglinge, die nicht berührt werden, entwickeln sich schlecht. Seine Hirnfunktion wird gestört. Sie können sogar eingehen.“
Aus diesen Worten musste ich annehmen, dass meine Hirnfunktion gestört war. Langsam begriff ich. Meine Erziehung kam mir erneut in die Quere. Meine Entscheidung stand jedoch fest: Ich wollte für meinen Gott-in-mir, einen Tempel der Liebe und Schönheit werden. Schönheit, weil diese ein direkter Ausguss Gottes ist – wenn ich Ihm entspreche, wird Schönheit Seine Antwort sein. Durch diese Strahlung werde ich Seine Existenz bezeugen. Es kann nicht anders sein, weil Er in mir ist. „Ich bin frei und gestalte mich und mein Leben mit Intelligenz und Liebe.“
Das war meine Schlussfolgerung auf all das, was mir mein Freund in einigen Gesprächen mitgab. Er schöpfte dabei aus einem enormen Wissen und zitierte dabei auch christliche Mystiker. Er überzeugte mich.
Da ich meine gestörte Hirnfunktion heilen wollte, lernte ich das absichtslose Massieren. Eine Wohltat für den Empfangenden und Gebenden. Ganz einfach ohne irgendwelche Absicht! Zusammen mit dem bewussten Atem, begann schon nach wenigen Wochen meine Haut duftiger und lebendiger zu werden. Das gab mir auch die Erklärung, weshalb Yanas Haut immer angenehm, süsslich duftete, ohne Anwendung von Parfum.
Bald war ich nur noch Liebe – Begierde und Leidenschaft und liessen mich den Himmel erleben. Wieder einmal quälte mich das Feuer der Begierde. Yana massierte mich in bedingungsloser Liebe, ohne jegliche Absicht. Von der Leidenschaft ermüdet schlief ich dabei ein. Für wenige Minuten bloss und ich wachte in einer völlig neuen Energie auf. Hellwach, klares Bewusstsein, hier und jetzt. Ich schaute Yana in die Augen. Ein Aufleuchten. Wir waren in der gleichen Energie. Ein Kopfnicken. Sie öffnete sich und wurde zu meinem Tempel der Liebesfreuden. Ohne Worte. Wir verweilten zeitlos, verschmolzen und liessen uns von den Schauern erfüllter Freuden beglücken. Fortan gab es kein Halten mehr. Weder für Yana noch für mich. Wir beglückten uns täglich, oft mehrmals. Ich konnte den Samenerguss bald einmal vom Orgasmus trennen und das liess mir die Kraft für unbegrenztes Verschmelzen.
Die Verbundenheit, die dabei entstand, ist unbeschreibbar. Die totale Glückseligkeit. Wir lebten ungebrochen monate- ja jahrelang eine, der Symbiose ähnlichen, Einheit. Bei mir gab es nur einen Drang, für immer in ihrem Schosse eingebettet zu sein – mich in meiner Erektion, in dieser Energie zu spüren. Bald hatten wir dieselben Gedanken, dieselben Wünsche, dieselben Impulse. Ein dauerndes Erschauern hielt mich im Banne. Der Meister, der Freund aller Suchenden, war sehr zufrieden. Für ihn war ich ein Finder geworden.
Niemand gab es, der unser Glück störte. Wir wurden wie Heilige geachtet, die ins Paradies eingegangen sind.
Die Zeit war vergessen. Es existierte keine Welt, die Ansprüche an uns stellte. Nahrung fanden wir im Garten zur Genüge. Wir brauchten nicht viel und lebten von Obst, Beeren und Kräutern. Es gab keine Sorgen, nur das Glück der Verschmelzung, meist in einer Geborgenheit spendenden Hütte aus Bambus und Palmenblätter. Aber der Rückzug dorthin musste nicht sein. Der ganze Anlage spendete Geborgenheit. Wir konnten frei und offen ineinander verschmelzen. Kein Neid, kein Unwille störte uns.
Aber – der Mensch besteht offenbar noch aus anderen Begierden. Immer mehr, anfänglich kaum störend, kam der Drang mich mit der Schöpfung selbst zu verschmelzen. Ich hielt es für verschroben und schob es zur Seite. Ich verdrängte es. Ein neuer Wahn, mehr nicht. Der Drang jedoch wurde immer stärker. Da begannen aus der Verschmelzung heraus Worte zu fliessen. Anfänglich kaum bemerkbar. Mit der Zeit immer wahrnehmbarer. Worte die kamen und gingen. Worte, die kurz auftauchten, einen Sinn bekamen und verschwanden – und vergessen gingen. Der Versuch, im Nachhinein den Sinn der mir zugeflossenen Worte neu zu fassen, misslang. Irgendetwas davon blieb jedoch im Gedächtnis hängen. Sie wurden durch mich selber Gestalt. Meine Haut wurde feiner und feiner, samtig, meine Bewegungen rund und zart, mein Reden warm und weich. Einfühlsam begann ich auf die Mitmenschen einzugehen. Oft konnte mein Bewusstsein einen Hauch dessen einfangen, was feinstofflich in mir vorging. Die unmittelbare Poesie des Augenblickes brachte ahnungsweise das biblische Hohelied der Liebe zum Erklingen.
Es war kein Suchen. Die Worte flossen aus einer zeit- und selbstlosen Sphäre, ohne Sinnen und Trachten. Die Verschmelzung war die Voraussetzung. Manchmal wusste ich nicht mehr, war ich mit meiner Geliebten verschmolzen oder mit der ganzen Schöpfung. Es öffnete sich eine sprudelnde Quelle. Ich besang die Frau, und deren Energie als das, was für viele Gott ausmacht. Ich glaubte mich verrückt. Das Glück, das ich dabei empfand, war dermassen, dass es mir völlig gleichgültig war, welches abwertende Wort die westliche Kultur dafür zur Verfügung hat. Eines schien mir allerdings ausserordentlich: ich verlor das Bewusstsein nicht. Ich war stets wach und klar und konnte jede Regung in mir beobachten – und ich konnte meinen Zustand lustvoll geniessen. Ich verlor den Boden nicht. Zudem hielten mich die feingliederigen Hände meiner Gespielin fest.
Aus der Verschmelzung heraus konnte ich bald einmal ihre Erscheinung visuell nicht mehr festhalten. Wir waren eine Einheit und es gab kein Gegenüber mehr. Wir erkannten einander durch die Ausstrahlung, das, was energetisch von uns ausging. Kam eine andere Frau aus der Familie in meine Nähe, die in derselben Energie war – und welche war es nicht? – konnte ich keine Differenz feststellen. Daraus ergaben sich spontane Verschmelzungen. Wir waren bald alle zusammen ein grosser Schmelztiegel. Das war er eigentlich schon immer. Es lag an meinen Defiziten und an meiner kulturellen Prägung, dass ich ihn nicht früher erfahren konnte. Mein Hineinwachsen dauerte mehr als zwei Jahre.
Der „Freund-aller“ meinte: „Du bist jetzt auf dem Urgrund der Begierde angelangt, der Schöpfung selbst. Ihr zu folgen ist deine Freiheit.“
Ich wollte auch dieser Begierde entsprechen, selber schöpferisch werden und mich durch mein Tun und Dasein bezeugen und mich offenbaren. Dafür musste ich den Ashram verlassen und mich selbst, als Person, als lebendiges Zeugnis unter die Menschen begeben. Ich liess mir Zeit. Es fiel mir nicht leicht das Paradies zu verlassen.
Jeder Drang will glückhafte Erfüllung. Die Verweigerung brächte Leiden.
Ich verbrachte gesamthaft sieben Jahre in Indien, beinahe fünf Jahre davon beim Freund aller Suchenden. Eine sehr wertvolle Zeit. Ich bin satt geworden. Alle Defizite aus meiner Kindheit, meiner Erziehung und der rationalen Einseitigkeit der westlichen Kultur, waren behoben. Ich fühlte mich in mir zufrieden und geborgen, rund, in einer Ganzheit eingebettet. Eine Ganzheit selbst. Jetzt wollte ich meiner Begierde nach kultureller Verwirklichung entsprechen. Da wurden die lieblichen, engelhaften Yoginis des Paradieses zur Behinderung. Ich zog meine Kleider an, bedeckte meine Blösse und reiste, nach einem letzten Reigen der Liebe, wieder zurück in den Westen, in jene Kultur wo ich einst das Licht der Welt erblickte.
Aber nicht alleine. Die Überraschung war perfekt. Yana war einwandfrei gekleidet, mit allen Reisedokumenten versehen, abreise bereit. Eine Inderin mit englischem Reisepass. Auf mein leeres Schlucken und erstauntes Fragezeichen im Gesicht, meinte sie bloss: „Was derart leidenschaftlich liebt, wirft kein vernünftiger Mensch über Bord! Wir beide gehen denselben Weg – und du brauchst mich.“