Lieb Vaterland, ade!
>Der göttliche Zeus<
Autoritätsprobleme sind sehr komplex und der Umgang damit sehr schwierig. Gleichermassen schwierig und kompliziert ist es darüber zu schreiben. Aber ich finde es interessant, dass viel Menschen mit diesen Problemen das Vaterland verlassen. Sie siedeln sich irgendwo auf dieser Welt an und meinen, damit sei ihr Problem gelöst. Mit nichten. Jeder trägt seine Probleme bis zum Lebensende mit, wenn er sich ihnen nicht stellt und auflöst.
Meine Ausführungen sind als Hinweise und Anregungen zu verstehen. Es ist auch ein Werben um Verständnis für das Unrecht, das den Betroffenen in den ersten Lebensjahren angetan wurde – von Vätern und Erziehern, (inkl. Predigern), die das ihnen einst zugefügte Unrecht blind und unwissend weiter gaben. Eigentlich wäre die moderne Zeit mit ihrer Intelligenz reif für Verzeihung und Neubeginn. Leider gehört es zum Erscheinungsbild dieses Problems, dass die davon Betroffenen lieber leiden, ja sogar krepieren, als den Weg der Versöhnung und Heilung zu gehen.
Die Meisten von ihnen tragen aus ihrer frühen Kindheit eine Mordwut mit sich herum. Obwohl diese ins Unbewusste verdrängt ist und kaum mehr wahrgenommen werden kann, prägt sie ihr Leben, oft bis zum Lebensende. Darauf angesprochen, würde keiner der Betroffenen eingestehen, dass er Träger einer negativ wirkenden Energie ist. Vielfach ist diese Wut auf den einst autoritär empfundenen Vater ausgerichtet, dessen Verhalten sie als unterdrückend und ungerecht empfanden. In kindlicher Einfalt wird sie bald einmal auf Gott-Vater übertragen, der ebenso empfunden wird und später auch noch auf das Vaterland aus gleichen Gründen. Oft schwört sich der/die kindlich Betroffene Rache und Heimzahlung: „Sobald ich gross und stark bin, werde ich …!“. Ein Schwur der nicht eingelöst werden kann. Als Kind ist es viel zu schwach und mit dem älter werden obsiegt die Vernunft – und die Angst vor Strafe. So bleibt das ganze Sinnen in den Kinderschuhen stecken und das traumatisierte Gefühl kann sich (ohne bewusste Versöhnung) nicht auflösen und blockiert die seelisch-geistige Entwicklung. Auch das Geschlecht bleibt auf kindlicher Stufe zurück. Das Ergebnis daraus sind oft (Protz-)Gestalten mit gewalttätigem Potenzial, die Vater(land) flüchtig, über das ganze Erdenrund anzutreffen sind. Intellektuell funktionieren sie, aber sie können psychisch / geistig nicht erwachsen werden, weil sie ihren kindlichen Entschluss der Heimzahlung nicht einlösen können. – Oder aber sie werden zu asketischen, mageren Gestalten, weil sie sich durch ihre kindlichen Wünsche nach Heimzahlung in ein schlechtes Gewissen manövriert haben und dazu neigen sich selber zu bestrafen. Dazu taugen auch Krankheiten und Unfälle. Die psychosomatische Fachliteratur sagt sogar, dass der psychisch-geistige Hintergrund bei Unfällen generell auf unbewältigten Autoritäts-Problemen beruht.
Lehnt der Junge den Vater ab, fehlt ihm die Möglichkeit sich frühzeitig mit einem Manne vertrauensvoll zu Identifizieren, deshalb auch nicht mit dem eigenen Geschlecht – seine Männlichkeit bleibt rudimentär.
Allen gemeinsam ist ein ungebändigter Drang nach Freiheit. Dass der Zwang nach Freiheit keine Freiheit sein kann, sondern ein Zwang, zu dieser Einsicht kommen die wenigsten …
Menschen mit Autoritätsproblemen können niemals authentisch sein. Sie streben nach Macht oder gehen in eine scheinbare Anpassung, die von Scheinheiligkeit bis Biedermann und Brandstifter reicht. Möglich ist auch, dass sie sich mit einer Ideologie verbünden und in deren Namen zu willkürlichen Funktionären werden. Auch der Weg in die Kunst scheint gegeben, die nötigen Fähigkeiten dazu lassen meist zu wünschen übrig. In der alternativen Kulturszene sind sie antreibende Kräfte und voller Kritik gegen alles väterlich Traditionelle. Zum Beispiel: Eine Ärztin griff zur alternativen Medizin, wurde eine Kapazität der Homöopathie und konnte dadurch stets die herkömmliche Medizin und ihre traditionellen Vertreter anprangern.
Im Allgemeinen führen unbewältigte Autoritätsprobleme zu einem Verhalten, welches das Erwachsensein immer wieder störend beeinträchtigt, nämlich dann, wenn sie einer authentischen Persönlichkeit begegnen, wenn ihr Ego nicht gewürdigt wird, oder von ihnen Einschränkungen gefordert werden, was durchaus auch politisch und demokratisch sein kann. Da verlassen sie ihr Vaterland, kommen z.B. in ein Königreich und lästern nach kurzer Eingewöhnungszeit auf die Majestät, weil sie ihn gleichermassen ungerecht und einschränkend empfinden wie Gott und Vaterland. Diese Haltung wird meist bis ins hohe Alter mitgetragen, vielfach mit tragischen oder auch mehr komischen Folgen. Wie kindisch diese Wut sein kann, zeigt sich immer wieder, dass selbst Betagte mit siebzig Jahren und mehr ihr ausgeliefert sind, sobald sie irgend jemandem begegnen, der sie in seiner Art an den Vater erinnert. Auslöser kann durchaus ein Mann sein, der etliche Jahre jünger ist als der weiss-haarig Betagte selbst. Das kann zu den seltsamsten Blüten kommen. Die Wut wird nicht, oder nur ganz selten offen gezeigt. Dazu sind sie zu feige – mehr noch, sie haben Angst vor sich selber, vor der Gewalttat, von der sie glauben fähig zu sein – das innere Kind wartet ja immer noch darauf und fordert, dass der infantile Schwur von einst eingelöst wird.
Meist kommt die verdrängte Mordwut über die Stimme zu tragen, durch hinterhältige Intrigen, Mobbing, versteckte Beschimpfungen, Gerüchte, Abwertungen, und durch die moderne Technik ermöglicht: durch anonyme Emails. Damit kann in aller Stille und in psychodramatischer Wollust ein Vatermord zelebriert werden, ganz im Sinne von: „Der Tag, an dem der Vater stirbt, wird ein Freudentag“.
Viele verlassen das Vaterland, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet. Glück für einen solch Begabten, wenn er im Ausland eine Arbeit und sein Auskommen findet. Spätestens jedoch mit der Pensionierung wird die Gelegenheit genutzt, um in einem fernen Land einen glücklichen Lebensabend zu geniessen. Gleich wo auf dieser Welt, in warmen Ländern, sind sie mehr und mehr anzutreffen. Der im Vaterland erworbene Wohlstand ermöglicht es ihnen.
Leider geht dabei die Rechnung nicht immer auf. Da sie unversöhnt auf die Vergangenheit ausgerichtet sind, sehen sie auch die neue Welt mit den Augen eines Vierjährigen und können das Hier und Jetzt nicht geniessen. Sie nehmen ihre Probleme mit. Diese lassen sich nicht abschütteln. Überall auf dem Erdenrund gibt es autoritär wirkende Menschen, auch solche mit gütiger oder weiser Ausstrahlung, die, nichts desto trotz, den kindlichen Mechanismus der Mordwut und Heimzahlung gegen den leiblichen Vater wieder auslösen. Auch jetzt, wie schon immer, als Projektion auf eine Person, die mit der ganzen Sache aus der Herkunftsfamilie nichts zu tun hat. Dass sie in nun fernen Landen ihrem unbewältigtem, infantilen Vaterbild wiederum begegnen, scheint ihnen gar nicht zu behagen und der Wunsch es zu beseitigen, scheint senile Züge anzunehmen. Dabei fehlt offenbar die Einsicht und die Intelligenz, dass die ganze Angelegenheit durch einen bewussten Akt der Versöhnung in kurzer Zeit für immer aufgelöst sein könnte.
Es ist immer unangenehm zum Projektionsträger einer infantil gebliebenen Seele zu werden. Der verdrängte Hass (die Mordwut) kann sie unbarmherzig mit ganzer Wucht treffen. Das kann auch einem autoritär wirkenden Senioren-Residenz-Leiter, dem die soziale Kompetenz fehlt, in fernen Ländern passieren.
Ein 77jähriger, etwas senil gewordener Kunstmaler, hatte das Glück, dass er in seinen betagten Tagen einer Person begegnete, an der er seinen infantilen Vater- und Vaterlands-Hass ausleben konnte. Es war eine Situation, die im Alltag jedem passieren kann. Er war einen Vertrag eingegangen, der seine Erwartungen nicht erfüllte. Unfähig zur Eigenverantwortung schob er blind alle „Schuld“ dem Vertragspartner zu. Er begann ein unverhältnismässiges Rache- und Ränkespiel gegen eine Person, die mit seinen Vater nichts zu tun hatte und etliche Jahre jünger war als er selbst. Es gelang ihm damit an die Öffentlichkeit zu treten. „Mein ganzes Leben habe ich darauf gewartet!“ Erstaunlich, ein ganzes Leben hat er darauf gewartet, um mit einem Menschen abzurechnen, den er kaum mehr als drei Jahre kannte. Was dabei an die Öffentlichkeit gelang, waren Ausdrucksweisen primitivster Art.
Eine uralte Weisheit besagt und wird sogar von christlichen Mystikern bestätigt, dass jeder Mensch die Gestalt seiner Liebe ist. Einfacher ausgedrückt heisst das, jeder ist die Gestalt seiner Gefühle – ein hassender Mensch sieht bestimmt anders aus, als einer, der in der Energie der Liebe lebt. Jede/r in der psychosomatischen Heilkunst Wirkende kann einen menschlichen Körper „lesen“. Es ist sehr einfach von der äusseren Erscheinung auf die Gefühle zu schliessen – auf jene Gefühle, welche die Gestalt gebildet haben. Der Körper lügt nicht – Worte können lügen. So schreibt Louise L. Hay in ihrem weltweit beachteten Werk: „Heile deinen Körper – die seelisch-geistigen Gründe für körperliche Krankheit“, z.B. zum Thema Fett und Übergewicht: Fett steht oft für Angst und zeigt ein Bedürfnis nach Schutz. Angst kann auch die Maske einer verborgener Wut und starker Vergebungsunwilligkeit sein.
Da die emotionalen Auswirkungen auf den Körper durchaus sicht- und lesbar sind, verzichte ich auf weitere Hinweise, denn, und das ist leider so, werden solche Hinweise von Laien immer und stets wieder missbraucht. Das Lesen eines menschlichen Körpers ist eine Kunst, die nur den entsprechend Gebildeten vorbehalten bleiben soll und die Erkenntnisse heilbringend einsetzen.