Kreuzfahrt ahoi!
Eine Kreuzfahrt rund um die Südspitze Südamerikas
Panamakanal – Peru – Chilenische Fjorde – Kap Hoorn – Buenos Aires.
Neben der grossartigen Reiseroute, die uns begeisterte, brachten uns die miesen Zustände auf dem Kreuzfahrt-schiff Infinity lediglich Krankheiten: Erkältungen infolge einer nicht regulierbaren Klimaanlage, eine Ohrenentzündung, Fieber und eine Speisevergiftung. Der inkompetente Schiffsarzt stellte bei Anita eine falsche Diagnose und gab Medikamente, welche die Krankheit verschlimmerte.
Eine Schiffsreise bietet stets zwei Aspekte: Die Reiseroute und das Kreuzfahrtschiff. Für viele Behinderte und ältere Menschen ist es die einzige Reise-Möglichkeit, um unseren schönen Planeten zu entdecken. Viele Leute gehen aber auch auf Kreuzfahrt, um die Angebote auf dem Schiff zu geniessen. Ein reiches Angebot auf kleinsten Raum, vom Spielcasino bis zum Boulevard-Theater, von Schmuck- Uhren- und Modeboutiquen bis zum billigsten Ausverkaufströdel. Für viele Teilnehmer bieten die kulinarischen
Genüsse exklusive Höhepunkte. Wer in den angelaufenen Häfen Ausflüge unternehmen will, dem steht die Reiseorganisation des Schiffes gerne zur Verfügung.
Für mich war die Reiseroute viel wichtiger als die Unterkunft. Ich wollte mit meinen 84 Jahren noch ein letztes, nicht gesehenes Stück, unseres wunderbaren Planeten Erde entdecken – eine Reise um Südamerika. Durch das Alter bedingt, blieb mir nur ein Schiff als Fortbewegungsmittel. Meine Entdeckungsreisen auf eigene Faust durch viele Länder machten mich allerdings nicht gerade zum Fan von Kreuzfahrtreisen. Aber eben, ein Globetrotter kann auch im Alter auf das Reisen nicht verzichten.
Ich vermutete, dass mir das gebuchte Schiff nicht genügen wird. Ich kannte den Veranstalter von einer Schiffsreise von Vancouver nach Alaska und zurück. Dass es aber noch schlimmer sein würde als erwartet, damit rechnete ich nicht. Hätte eine andere Gesellschaft die gleiche Route zur gleichen Zeit angeboten, wäre meine Wahl eine andere gewesen. Auch andere Reisende äusserten sich im gleichen Sinne und bestätigten meine Ansicht.
Das Kreuzfahrtschiff Infinity ist ein im Jahr 2001 in Betrieb genommenes und 2011renoviertes Schiff für gut zweitausend Personen, mit sperrigen Aufbauten und Sichtbehinderungen in allen Kabinen der gehobenen AquaClass. Keinen Ausblick und dementsprechend auch keine Fotos ohne Trägerpfosten, welche den darüber befindlichen Neu-Aufbau stützen. Bei Regenfällen drang das Wasser durch die Decken bis in die Kajüten dieser eben erwähnten Klasse. Alles passte in das mir bekannte Image des Kreuzfahrtveranstalters, mit seiner ausbeuterischen Gesinnung. Aber das meist bedürftige, erlebnishungrige Publikum macht mit. Die Freundlichkeit des Personals ist gut geschult und es wird gepflegt. Schliesslich geht es dabei auch um Trinkgelder. Nur wenige der Angestellten können ihre Unzufriedenheit nicht verbergen und einige sind, trotzdem, sichtbar depressiv.
Auf dem Schiff sind die angeblichen Offiziere in Unmengen anzutreffen, mit der Funktion (offensichtlich) die unerfüllten Sehnsüchte weiblicher Passagiere durch ihre Zur-schau-Stellung zu nähren. Um die Mängel zu übertünchen gibt es auch noch den üblichen Fanclub, bei Celebrity den Capitäns-Club. Die gebotenen Vorteile sind gering, aber man kann dort den Kapitän des Schiffes für einige Minuten wirklich sehen und von ihm einige schöne Worte hören. Und man kann dort auch während 45 Minuten Offiziere treffen und mit ihnen plaudern. Ein unglaublich geschicktes Management. Enorm! Welcher Fan würde schon so einen (seinen) Club kritisieren? Dazu bräuchte es etwas mehr, als eine kritiklose Konsumentenhaltung.
Den kulinarischen Genüssen wird eine ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Man gibt sich gesundheitsbewusst. Glutenfreies Brot wird angeboten. Auch andere Speisen sollen glutenfrei sein. Bei den Salatsaucen haperte es allerdings. Nach zweimaliger Einnahme befielen mich bereits wieder jene unliebsamen Symptome, wie ich sie in Thailand, Myanmar, Vietnam und China nach Einnahme von einheimischer Kost bekam. Glutamat! Damit war etwas, das ich liebte vom Speisezettel gestrichen und ich durfte nun mit meiner Gattin zusammen in den naturbelassenen Rohkostteller greifen.
Ein leichtes, gesundes Frühstück und ein gesundes Mittagsbüffet wurde im AquaSpa Café angeboten. Die Speisen sind tiefgefroren und offen in Eistruhen zur Selbstbedienung bereitgestellt. Offen, in chlorgeschwängerter Luft, gleich neben dem, oft mit reichlich Chlor keimfrei gehaltenen Schwimmbad, den Duschen und Whirlpools. Beim Essen werden zugleich die Atemwege mit Chlor gereinigt. Das kann ja nur gesund sein. Aus gesundheitlichen Gründen war mir leider auch dieser Gesundbrunnen nicht zugänglich. Mein Immunsystem reagierte negativ darauf, so dass ich auch dieses exklusive Angebot ausschlagen musste. Ich reagierte mit Brechreiz und Erbrechen.
So versuchte ich es mit dem offiziellen Speisesaal. Meine Essenszeit war festgelegt und zeitlich bemessen. Es mussten ja in kurzer Zeit über tausend Gäste bedient werden. Auch da hatte ich Pech. Das Tischchen für meine Partnerin und mich stand unmittelbar am Laufweg zur Küche, wo die Kellner ununterbrochen ihre schweren Servierbretter über unsere Köpfe hinweg balancierten. Eine bewundernswerte Leistung des offensichtlich gut geschulten Personals. Mit den offerierten Speisen stand es weniger gut. Für meine Partnerin, seit Jahren kein Fleisch essend, blieben gerade mal eine Portion Ravioli. Das mir servierte Fleisch konnte ich leider nicht beissen. Mein Kiefer ermüdete viel zu früh, um den nötigen Kauprozess erfolgreich durchzuführen, und die Geduld fehlte mir, mit dem Messer das zähfasrige Fleisch fein zu schneiden, um es, ohne zu kauen, zu schlucken. Also blieben mir, wie meiner Gattin, nur die Ravioli. Für mich ein widerliches, teigiges Essen, das zur Verschleimung des Gaumens führt. Zusammen mit dem waghalsigen Platz entsprach auch dies nicht meinen Ansprüchen. Als mir dann auch noch eine andere Platzzuweisung verweigert wurde, blieb mir nur noch der Wechsel in das grosse Selbstbedienungs-Restaurant auf der zehnten Etage. Dort hatte auch meine Gattin freie Wahl und konnte die Speisen aussuchen, die ihr bekamen. Auch ich konnte mich nach Lust und Laune bedienen. Aber auch da gab es einiges zu meckern: Das Geschirr und die Tische waren oft unsauber und mit Speiseresten der Vorgänger verziert. Meinen Ansprüchen konnte einfach nicht entsprochen werden. Man kann es aber auch anders herum sagen: die Ansprüche des Schiffes überforderten mich. Trotz aller Vorsicht holte ich mir schliesslich, wie einige andere Passagiere, eine Speisevergiftung. Wer zum Schiffsarzt ging, kam für 48 Stunden unter Quarantäne. Dafür hatte ich keine Zeit. Meine Eingeweide entleerten sich im Eiltempo und das Fieber liess mich für zwei Tage das weiche und warme Bett geniessen. Anita, meine Partnerin, pflegte mich, trotz ihren sehr schmerzhaften Entzündungen, in liebender Hingabe. Die Nachfrage bei anderen Passagieren ergab, dass alle Betroffenen eine Rahm- (Sahne-) Sauce genossen hatten. Obwohl ich meinen Fisch instinktiv davon befreite hatte, reichte es für den Virusbefall.
Auch die medizinische Betreuung bot reichlich Stoff für ein Märchen. Eine protzige Gestalt, in Offiziersuniform, die sich gerne zeigte und sich ebenso gerne von den Reisenden bewundern liess, war für die ärztliche Betreuung verantwortlich. Meine Partnerin hatte keine andere Wahl: wegen ihren sehr schmerzhaften Entzündungen musste sie zu ihm in die Behandlung. Nach wenigen Tagen auf dem Schiff befielen sie heftige Schmerzen im Bereich der rechten Gesichtshälfte, des rechten Gehörkanals und des Kiefers, so dass sie nur noch mit Mühe essen konnte. Nach dem üblichen Ausfüllen eines Fragebogens und nach der Überprüfung des Blutdruckes, benötigte der Arzt keine fünf Minuten für die Untersuchung. Sein Befund: Eine der üblichen Erkältungen. Kosten, inklusive ein Fläschchen Ohrentropfen und sechs Antibiotika-Tabletten = USD 177.–. Grund für die Erkältung war die Klimaanlage in der Kajüte. Sie konnte weder ausgeschaltet noch verstellt werden. Sie ist fixiert und bläst direkt auf das Bett. Jede Intervention zur Veränderung blieb erfolglos.
Leider bewirkten die verabreichten Medikamente keine Besserung. Beim zweiten, wiederum kostenpflichtigen Besuch, stellte er dann eine Mittel-ohrentzündung fest. Seine Heilkunst reichte gerade einmal zur Verabreichung von stärkeren Antibiotikatabletten.
Die Schiffsreise kam zu Ende. Anitas Zustand veränderte sich zum Schlechten, so dass wir unsere Weiter-Reise auf eigene Faust durch Südamerika abbrechen mussten. Zu Hause galt der erster Besuch dem Ohren- Nasen- Halsspezialisten. Befund: Eine therapieresistente Neuralgie. Keine Spur einer Mittel-ohrentzündung. Das verabreichte Antibiotika des Schiffsarztes war kontra-indiziert und hatte die Krankheit verschlimmert. Zusätzlich zerstört Antibiotika auch noch die Darmflora.
Ein Lob geht hingegen an das Personal des Blue-Restaurants. Hier konnte ich mein Abendessen/Dinner geniessen, solange ich Gast der AquaClass war. Das war ein Lichtpunkt, der mir entsprach! Ich hatte leider die Kreuzfahrt etwas zu spät gebucht, um auch den zweiten Teil der Reise von Valparaiso nach Buenos Aires in dieser Klasse zu geniessen. Aber auch zum Glück, denn wir kamen dadurch in eine Kabine ohne Sichtbehinderung und konnten dadurch einige gute Fotos von unserem Balkon aus knipsen.
Ausflüge: Auch hier bestätigte sich meine Erfahrung früherer Kreuzfahrten.Sämtliche durch das Schiff angebotenen Ausflüge konnten auf eigene Faust mit einheimischen Unternehmen mindestens um die Hälfte billiger durchgeführt werden. Es wurde noch billiger, wenn sich zwei Paare mit gleichen Interessen zu einem Ausflug zusammen taten. Nur in Manta/Equador versuchte ein Latino die Gäste zu betrügen. Für die Besichtigungstour war ein Stundenhonorar vereinbart. Auf der Fahrt rutschte der Uhrzeiger in seinem Auto eine Stunde nach vorn. Der Taxifahrer hatte natürlich keine Ahnung weshalb. Naive Unschuld, dumm gespielt.
Der Höhepunkt auf dem Schiff ist allerdings das Unterhaltungsprogramm: Von exquisiter Banalität, exzellent präsentiert von einem geschickten und fachlich gut ausgebildetem Animator, der sich Direktor nennen darf. Seine Kunst bestand darin, dass er das Publikum schon nach wenigen Sätzen zum Kreischen brachte. Kreischen gehört offensichtlich zum amerikanisches Kulturgut.
Die Lärmquelle Musik ist auf dem Mittelschiff/Sonnendeck von einer Lautstärke, von Morgens früh bis Abends spät, dass selbst Schwerhörige ohne Hörgeräte die tollen Rhythmen mitstampfen können. Die gebotenen Festivitäten zu Weihnachten und Neujahr waren ungefähr das Primitivste, das ich während meines langen Lebens zu sehen und zu hören bekam.
Trinkgelder: Die Methoden zur Gewinnung von Trinkgeldern wirkten naiv – erpresserisch. Offenbar ist das Personal so schlecht bezahlt, dass es auf Trinkgelder angewiesen ist. Da ich mit Ausnahme des Zimmerservices unzufrieden war, stoppte ich den automatischen Abzug von USD 25.– pro Tag. Ich übergab persönlich jenen ein Trinkgeld, die es nach meinem Ermessen verdienten.
Fazit: Im ganzen System herrscht eine Energie, welche den Menschen als Mensch missachtet. Er dient lediglich der finanziellen Ausbeutung.