Erotik im Alter
Die Erotik ist nicht mit der Sexualität gleichzusetzen. Sex ist trieb- und körpergesteuert. Sie ist eine enorme schöpferische Kraft, die primär der menschlichen Arterhaltung dient. Es ist verständlich, dass diese Potenz mit dem Alter abgibt oder gar gänzlich versiegt. Das muss jedoch nicht sein. Es gibt Möglichkeiten, um diese Kraft zu pflegen und zu erhalten. Da ist die seelisch-geistige Ebene mit der ganzen Zärtlichkeit, der Berührung, des gegenseitigen Massierens und Beschenkens. Und dann die sinnlich-geistige Ebene, welche das Erotische ausmacht und vieles für ein glückliches Alter beitragen kann. Es beschenkt die Partner mit Wohlgefühlen, die jung und vital erhalten.
Neben meiner Philosophie, jeden Tagen so zu leben, als ob es der letzte wäre, ist es eine bewusste Entscheidung meine letzten Lebensjahre liebend zu verbringen – voll auf meine langjährige Partnerin und Lebensgefährtin ausgerichtet. Es soll eine Ernte all dessen sein, was wir gemeinsam in vielen Jahren erarbeitet, gesät und als Erzieher und Therapeuten an andere weiter gegeben haben. Dabei hat es anfänglich nicht so ausgesehen, als ob wir über eine längere Zeit gemeinsam leben könnten. Der Altersunterschied von beinahe 18 Jahren schien zu gross und meine Bedenken, sie könnte mich in alten Tagen infolge Abnutzungserscheinungen abstossen schienen berechtigt. Auch meine Veranlagung sprach dagegen. Ich war damals trotz meinen 38 Jahren noch immer ein Suchender, einer, der nie fand, was er suchte. Aber auch Anitas Verwandtschaft war von unserer Beziehung nicht überzeugt und gab unserer Beziehung keine lange Lebensdauer. Ein Wunschdenken, das sich nicht bewahrheiten sollte. Dass wir zusammen blieben lag wohl an unseren künstlerischen Interessen und an unseren Berufen, meine Partnerin als Atem- und Leibtherapeutin und schliesslich, durch die langjährige Praxiserfahrung, als Naturärztin; ich als Kunsttherapeut und Ursachenforscher. Das Arbeiten mit und an den Menschen zur Verbesserung ihrer Lebensqualität, zwang uns zur konstanten Selbstreflexion. Das tägliche Eingebunden-werden in die vielen Prozesse und Probleme der Klienten mit all den Übertragungen fordert von uns beiden eine innere Aktivität, die uns wach, aber auch lebendig erhielt. Dass wir Problemfälle miteinander besprachen liegt nahe und entsprach meist den gesetzlichen Anforderungen einer Supervision.
Aus dem Miteinander-Reden wurde ein Miteinander-Wachsen und griff mit den Jahren hinein in die tiefsten Gefühlssphären. Miteinander reden heisst ein Dialog führen und besteht nicht aus einem Redner und einem oder mehreren Zuhörern. Miteinander reden heisst nicht Recht haben wollen, sondern verstanden werden. Wer verstanden werden will muss allerdings so reden, dass er verstanden wird. Und das heisst auch seinem Partner Zeit lassen, damit er das, was er zu sagen hat in Worte fassen kann. Solche Gespräche bewirken Zufriedenheit und dadurch, wie von selbst, ein Heineinwachsen in jene schöpferischen Frequenzen, die Heilung bewirken.
Ein Garant für unser Zusammenbleiben war gewiss die starke Sexualität , die uns verband und befriedigte. Unsere Körper schrieen förmlich nacheinander. Dieses Aufeinander-Eingehen gedieh bald zu einem weiteren Miteinander-Wachsen. Die Verschmelzung führte zu überraschenden Seinserfahrungen, die zutiefst beglückten und uns heute noch nähren.
Die christlich-katholische Kirche verbietet ungefähr all das, was den einfachen Menschen mit der ursprünglich schöpferischen (göttlichen) Energie in Verbindung bringen könnte. Einiges Intelligenter wäre eine subtile Sexualerziehung, wie sie z.B. weltweit unter dem Begriff des Tantras bekannt ist. Tantra lernt die ursprüngliche sexuelle Kraft durch Einsicht und Ausleben zu transformieren. Mir kam diese Weisheit sehr entgegen. Sie lehrte mich all das, was für mich in sinnlich-geistiger Hinsicht wünschenswert war und hatte eine wunderbare Wirkung. Durch die dabei entstandenen Wohlgefühle erfolgte als Zugabe der Kontakt zum höheren Bewusstsein – die heilende Wunderwelt der Schöpfung offenbarte sich und stand, der Partnerin und mir, schrankenlos zur Verfügung. Die daraus gewordenen Wohlgefühle begleiten uns heute noch.
Ein unbeschränkt langes Verschmolzensein mit der geliebten Partnerin ist wohl eine der schönsten Weisheiten, die einem Suchenden geschenkt werden kann. Die dabei entstehenden Wohlgefühle sind zutiefst befriedigend. Die damit verbundene Erkenntnis überschreitet das Alltagswissen und schafft (leider auch) Distanz zu den, meist leidenden, Mitmenschen, die einem solchen Wissen fremd, ja ablehnend, gegenüberstehen. Und für mich war es oft verzweifelnd zu sehen, wie uneinsichtig die meisten vor dem eigenen Glück stehen konnten.
Weisheit entsteht durch Selbsterkenntnis (erkenne dich selbst) und aus den eigenen Erfahrungen, sicherlich nicht durch Aneignung von Fremdwissen in Literatur, inkl. Philosophie und anderen Wissenschaften. Als das mag als Anregung dienen. Den Weg jedoch muss jede/r selber finden und gehen. Die höchste Weisheit ist wohl das Einswerden mit dem schöpferischen Universum, ohne sich darin zu verlieren. Die Zeugung eines Kindes ist ein grossartiger schöpferischer Akt. Das bewusste Einswerden mit der Schöpfung durch denselben Akt ist die Krönung einer oft langen Suche – aber immer ist es ein lernbarer, ein natürlicher Vorgang, der den Zugang zu einer enormen Energiequelle öffnet; eine Energiequelle, die heilend wirkt, die schöpferisch ist und den Menschen jung erhält. Die Christen sprechen von einem Heiligen Geist. Ich sagte stets, dass dieser Geist gebraucht und nicht angebetet sein will. Er ist nichts anderes als die allen zugängliche universelle, schöpferische Energie, die keine Auswahl trifft, sondern zur Verfügung steht. Es gibt eigentlich nur eine Voraussetzung: Keine Schuldgefühle – niemanden psychisch oder physisch mit Absicht zu verletzten – und selbst in Wohlgefühlen leben. Wohlgefühle sind das Gebot für ein gutes Leben, für Wohlstand und Zufriedenheit. Die Kraft hierfür ist unerschöpflich.